Kundenorientiert und vor allem näher am Kunden wollen im Moment alle Unternehmen sein – auch Fronius Perfect Welding. Welchen Einfluss hat das Thema Kundennähe in Zukunft auf die Produktentwicklung?
In der Vergangenheit lag der Fokus bei den Produktentwicklungen auf Ideen, die zum großen Teil bei uns intern entstanden sind. Das wird sich signifikant ändern. Unser Ziel ist es, in Zukunft mehr wertschöpfende Angebote rund um unsere Schweißgeräte und Systeme zu entwickeln. Damit wollen wir noch besser auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Und das wiederum setzt voraus, dass wir die Prozesse unserer Kunden genau verstehen, bevor wir ein Entwicklungsprojekt beginnen.
Was bedeutet das genau?
Wir haben neue Zielsegmente festgelegt und wollen dort Kundennähe verstärkt aufbauen. Kundennähe bedeutet in einer weiteren Zusammenarbeit auch, dass wir mit diesen Kunden Innovationspartnerschaften entwickeln. Wir sehen in diesen Partnerschaften großes Potential, um in einem digital vernetzten Industrieumfeld zu wachsen.
Welche konkreten Adaptionen der Produkte planen Sie?
Grundlage solcher Innovationspartnerschaften wird der offene Austausch von Informationen und Daten sein. Deshalb werden wir unsere Produkte vor allem in Richtung Vernetzungsfähigkeit entwickeln, damit wir auf allen Ebenen mit unseren Kunden einen solchen Datenaustausch führen können.
Und wie findet Fronius heraus, was der Kunde braucht?
Die Grundlage für ein exzellentes Kundenverständnis bilden valide Daten und Informationen. Es muss uns gelingen, über vernetzte Systeme und den persönlichen Dialog mit den Kunden Informationen auszutauschen und damit herauszufinden, was diese in Zukunft wirklich benötigen. Mit den bereits bestehenden technologischen Möglichkeiten haben wir schon heute die Voraussetzungen geschaffen, um zukünftig noch mehr individuelle Anpassungen weltweit zu realisieren.
Welche Änderungen wird der Fokus auf Kundennähe abseits der Geräteentwicklung mit sich bringen?
Die Individualisierung unseres Angebotes wird sich ganz sicher zu einem wesentlichen Teil über Softwareentwicklungen abbilden. Das macht Software zu einem wichtigen strategischen Thema in der Forschung und Entwicklung. Was wir auch sehen, ist die Entwicklung hin zu einer neuen Dienstleistungsorientierung im Industrieumfeld. Wir denken schon ganz konsequent in diese Richtung. Diese Entwicklung wird die Bedeutung der reinen Hardware sicherlich nicht ablösen. Die Hardware wird aber künftig nicht mehr die alleinige Geschäftsgrundlage sein. Vielmehr werden kundenindividuelle Geschäftsmodelle zunehmen. In der Konsequenz bedeutet das für uns, dass wir uns zu einem dienstleistenden Industrieunternehmen entwickeln werden. Wir investieren seit geraumer Zeit in eine kundenorientierte digitale Peripherie, wenn es um das Thema Informationsaustausch und Dialog mit Kunden und Partnern geht. Das muss alles einfach, reibungslos und 24/7 für beide Seiten funktionieren.
Durch die Datenerfassung wird Fronius viel Wissen über seine Kunden sammeln. Geraten die Kunden damit nicht in eine starke Abhängigkeit zu ihrem Lieferanten?
Diese Angst ist durchaus nachvollziehbar. Betrachtet man jedoch Schnittstellen und Steuerungsprotokolle, dann sind diese weitgehend standardisiert. Oft müssen wir uns als Lieferant ohnehin an die Systeme der Kunden anpassen. Zwischen uns und unseren Kunden muss ein fairer Wertaustausch zu Grunde liegen. Somit entsteht eine freiwillige und auf gegenseitigem Vertrauen basierende Bindung. Wir sehen das als Schlüssel zum Erfolg in einer zunehmend vernetzten Welt.
Wenn die Herausforderungen der Kunden für Fronius in Zukunft immer stärker im Mittelpunkt stehen, bleiben denn da wirkliche Innovationen nicht auf der Strecke?
Es ist tatsächlich eine Gratwanderung. Fronius hat sich entschieden, den Kundennutzen ins Zentrum zu rücken. Unsere Customer Intimacy Strategie verfolgt aber noch einen weiteren Ansatz, nämlich nicht nur offen für unsere Kunden zu sein, sondern auch für das, was sich in ihrem Umfeld abspielt. Das schaffen wir allerdings nur mit einer exzellenten Kundennähe, die wiederum eine umfassende Vernetzung auf persönlicher als auch digitaler Ebene voraussetzt. Dieses Wissen wird es uns dann auch in Zukunft ermöglichen, die richtigen Schlüsse für Innovationen und neue Geschäftsmodelle zu ziehen. Und genau damit wollen wir unsere Kunden und Partner weiterhin überraschen.
„Kundennähe basiert auf Dialog – sowohl auf persönlicher Ebene als auch über digitale Schnittstellen.“ Harald Langeder, Forschung und Entwicklung Business Unit Perfect Welding
Thalheim, Österreich, ist der Fronius-Standort für Forschung und Entwicklung. Auf 50.000 m² Grundfläche findet die Produktentwicklung für alle drei Business Units (Solar Energy, Perfect Charging und Perfect Welding) statt. Rund 600 Mitarbeiter schaffen hier Innovationen und mehr als die Hälfte davon für die Business Unit Perfect Welding. In modernen Testlabors werden Produkt-Härtetests wie Schlag- und Fallprüfung, Lebensdauer-Tests und EMV Tests für elektromagnetische Verträglichkeit durchgeführt. Fronius setzt auf Nachhaltigkeit: In Thalheim erzeugen Photovoltaik und Geothermie-Felder Energie für Strom und Wärme.